
Am heutigen Tag berichtet Sebastian Witt, Vorsitzender des Landesverbandes für queere Vereine in MV, von einer besorgniserregenden Zunahme von Beleidigungen und Bedrohungen, die er per E-Mail erhält. In einem besonders alarmierenden Vorfall wurde sein Name auf einer Todesliste der rechtsterroristischen Gruppe Nordkreuz aufgeführt. Diese Bedrohungen erfolgen vor dem Hintergrund eines aktiven ehrenamtlichen Engagements in Mecklenburg-Vorpommern, wo rund 600.000 Menschen, was 38% der Bevölkerung entspricht, in Sport- und Kulturvereinen tätig sind.
Das ehrenamtliche Engagement stellt nicht nur eine wichtige soziale Stütze dar, sondern fördert auch die Demokratie. In Anbetracht der erstarkenden rechten Kräfte möchten zivilgesellschaftliche Organisationen aktiver an politischen Prozessen teilnehmen. Anna-Konstanze Schröder von der SPD hebt hervor, dass vor allem Engagierte, die sich gegen rechte Strömungen positionieren, von Gewalt bedroht sind. Lobbi MV bietet Beratung für Betroffene von rechter Gewalt an, die Morde, Körperverletzungen und Bedrohungen umfasst.
Zunahme der Gefahren für Engagierte
Ein besorgniserregendes Beispiel betrifft ein Pärchen aus Dömitz, das aufgrund von Bedrohungen die Stadt verließ. Robert Schiedewitz von Lobbi MV beobachtet seit 2020 eine spürbare Zunahme von Gewalt gegen politisch Aktive. Viele Ehrenamtliche haben Schwierigkeiten, sich öffentlich zu zeigen, aus Angst vor Repressalien. Schiedewitz empfiehlt die Erstellung von Sicherheitskonzepten für Vereine und bietet Unterstützung für Helfer:innen bei Veranstaltungen an.
Um rechtliche Schritte zu ermöglichen, wird eine Dokumentation von Angriffen empfohlen. Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat MV, der Anfeindungen bestätigt, sieht jedoch keine Zunahme der Gewalt. Schiedewitz rät zur Bekanntmachung von Angriffen, wenn der Schutz der Betroffenen gewährleistet ist. Politischer Schutz für Engagierte wird als unzureichend wahrgenommen, und die Kritik an fehlenden finanziellen Mitteln für den Landesaktionsplan zur Gleichstellung und Akzeptanz bleibt nicht aus.
In einem weiteren Kontext hat das Bundesinnenministerium Besorgnis über rechtsextreme Störaktionen gegen Christopher Street Day (CSD) Umzüge geäußert. Laut einem Schreiben an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Misbah Khan ist eine zunehmende Fokussierung gewaltorientierter Rechtsextremisten auf die queere Szene festzustellen. Seit Juni 2024 gab es einen Anstieg verbaler Angriffe auf die queere Community, und zwischen Juni und September 2024 wurden rund 20 Kundgebungen gegen CSD-Veranstaltungen registriert. Diese Kundgebungen waren überwiegend von Rechtsextremisten organisiert oder dominiert.
Besonders betroffen sind Städte wie Bautzen, Leipzig, Magdeburg und Zwickau, wo die Mobilisierung von gewaltorientierten Rechtsextremisten bemerkenswert hoch ist. In Bautzen nahmen über 700 Menschen an Protesten teil, in Zwickau etwa 480 und in Leipzig mehr als 300. Störaktionen werden häufig von klassischen rechtsextremen Akteuren wie „Der Dritte Weg“ und „Freie Sachsen“ organisiert. Die rechtsextreme Szene versucht, das Thema sexuelle Vielfalt ideologisch zu besetzen und zu polarisieren.
Misbah Khan bezeichnet die Lage als beunruhigend und sieht eine unmittelbare Gefährdung queerer Menschen. Es wird ein dringender Bedarf an politischen Antworten auf die Radikalisierung der rechten Szene gefordert, während gleichzeitig die Verzögerung des geplanten Demokratiefördergesetzes, das die Stärkung der Demokratie und Extremismusprävention unterstützen soll, kritisiert wird.