
In Berlin wird der Mangel an Hausärzten sowohl von Fachleuten als auch von politischen Akteuren immer dringlicher thematisiert. Über 35.000 Ärzte arbeiten in der Hauptstadt, doch Patienten müssen häufig wochenlang auf einen Termin warten. Ein besorgniserregender Anstieg der unbesetzten Hausarztstellen ist festzustellen, der in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Während in 2018 noch 18 Stellen vakant waren, sind es bis Ende 2023 bereits 142. Im Jahr 2022 betrug die Zahl 126, was zeigt, dass sich die Situation dramatisch verschlechtert hat. Besonders betroffen sind Patienten in den Randbezirken wie Lichtenberg und Treptow-Köpenick, wo der Mangel an Hausärzten spürbar ist. Der regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erkennt zwar die Problematik, sieht jedoch keine schnellen Lösungen.Berliner Zeitung berichtet, dass die Kassenärztliche Vereinigung in Berlin bereits Maßnahmen ergriffen hat, um die Versorgungslage zu verbessern, was jedoch als unzureichend erachtet wird.
Von der politischen Seite gibt es laute Stimmen, wie die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht. Sie bezeichnet die Situation als katastrophal und fordert unter anderem eine Erhöhung der Medizinstudienplätze. Auch der Grünen-Abgeordnete Armin Grau hat ein „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“ ins Spiel gebracht, um der Gesundheitskrise entgegenzuwirken. SPD-Bezirksbürgermeister Oliver Igel verweist darauf, dass in Treptow-Köpenick allein 41 Hausärzte fehlen, was rund ein Drittel der in Berlin insgesamt offenen Stellen ausmacht. Igel plant, die Ansiedlung neuer Praxen zu unterstützen, sieht jedoch die Einflussmöglichkeiten als begrenzt an.
Ursachen des Mangels
Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) liegt der Ärztemangel nicht nur an einer unzureichenden Anzahl an Medizinstudienplätzen. Es gibt auch strukturelle Probleme in der regionalen Versorgung. Dies betrifft insbesondere die Bedarfsplanung, bei der Ärzte und Psychotherapeuten sich dort niederlassen sollten, wo der Bedarf am höchsten ist. Die demografische Entwicklung, insbesondere die Alterung der Bevölkerung, erfordert mehr niedergelassene Ärzte in Regionen mit überdurchschnittlich vielen älteren Menschen. Um dem Mangel entgegenzuwirken, können die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gezielte Angebote, wie Vergütungszuschläge, in Regionen mit drohendem Ärztemangel unterbreiten.KBV beschreibt auch, dass die Anpassungen der Planungsbereiche sowie eine gezielte Einbeziehung von Geografischen Informationssystemen (GIS) zur Verbesserung der Versorgungsstruktur beitragen sollen.
Ein weiterer Aspekt, der den gefühlten Mangel verschärft, ist der anscheinend steigende Trend, dass immer mehr ausgebildete Ärzte in andere Berufe wechseln oder weniger Stunden arbeiten. Während 2023 bereits 85 Prozent der Hausärzte in Vollzeit arbeiteten, sank diese Zahl von 98 Prozent im Jahr 2009. Junge Ärzte bevorzugen oftmals Anstellungen, was die Verfügbarkeit von Hausärzten weiter einschränkt. Zudem legen gerade Frauen, die mittlerweile mehr als die Hälfte der Mediziner stellen, größeren Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance, was oft einen Rückzug aus der aktiven Praxis zur Folge hat. Diese Entwicklungen, kombiniert mit der zunehmenden Nachfrage der Patienten, könnten zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen.ZDF hebt hervor, dass es in ländlichen Gebieten häufig zu Unterversorgungen kommt, während städtische Regionen oft überversorgt sind.
Um den Herausforderungen des Ärztemangels zu begegnen, sind grundlegende Reformen erforderlich. Vorschläge, wie die Schaffung neuer Studienplätze oder gesetzliche Regelungen zur besseren Verteilung von Ärzten in unterversorgten Gebieten, stehen im Raum. Ein vielschichtiger Ansatz wird benötigt, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden und eine adäquate Gesundheitsversorgung sicherzustellen.