In der beeindruckenden Universitätsstadt Heidelberg wird nun ein dunkles Kapitel der Vergangenheit beleuchtet: Eine Historikerin veröffentlicht ein aufrüttelndes Buch über die Zwangssterilisationen, die während der Zeit des Nationalsozialismus in der Region stattfanden. Laut der Rheinpfalz führte Heidelberg gemeinsam mit dem nahen Eppelheim eine bedenkliche Statistik an, denn hier wurden besonders viele Menschen zwangsstersilisiert. Über 300.000 Zwangssterilisationen wurden zwischen 1934 und 1945 im damaligen Deutschen Reich verzeichnet, darunter 0,6 Prozent der Heidelberger Bevölkerung. Besonders erschreckend ist die Quote in Eppelheim, wo fast ein Prozent der Bevölkerung betroffen war.
Diana Kail, die Historikerin des Generallandesarchivs Karlsruhe, untersucht in ihrem Buch „Zwangssterilisation in Heidelberg“ die Akten des Erbgesundheitsgerichts und zeigt auf, wie die Nationalsozialisten Menschen grausam zwangen, medizinische Eingriffe über sich ergehen zu lassen. Viele waren Angehörige, die verzweifelt versuchten, ihre Liebsten vor dem Unrecht zu bewahren, wie im Fall eines Vaters, der sich für seine schwer kranke Tochter einsetzte. Laut Kail wurde die Realität der Zwangssterilisationen von Ärzten und Behörden stark verfälscht und stellte eine der vielen Grausamkeiten dar, mit denen die nationalsozialistische Ideologie gegen „erbkranke“ Menschen vorging.
Schockierende Historie und Ausmaß
Professor Frank Engehausen von der Heidelberger Universität betont zudem, wie Münster als Vorzeigeprojekt für die Umsetzung dieser unethischen Gesetze diente. Mit dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sollten Menschen angeblich freiwillig sterilisiert werden. Doch die Realität war oft anders. Die Akten belegen, dass zahlreiche Betroffene unter Druck gesetzt und ihre Möglichkeiten zur Beschwerde systematisch ausgehöhlt wurden. Oft genügte ein ärztliches Gutachten, um das Schicksal vieler Menschen zu besiegeln, was zu einen Eingriff in die Lebensgeschichten von unzähligen Bürgern führte. In den Augen der Behörden wurde dies als Möglichkeit gesehen, sich zu profilieren, doch in Wirklichkeit handelte es sich um schrecklichen medizinischen Missbrauch.
Die Studie von Engehausen, die sich auch mit der Geschichte Eppelheims und der Komplizenschaft von Ärzten, Polizeibeamten und Bürgermeistern auseinandersetzt, zeigt auf, dass nach dem Krieg nur wenige zur Rechenschaft gezogen wurden. Es war eine Zeit, in der medizinische Verbrechen als Teil einer vermeintlich normalen Gesundheitspolitik abgetan wurden, obwohl kein anderes Land derartig systematisch nach „erbkranken“ Menschen suchte, wie es die Nationalsozialisten taten, wie Engehausen feststellt.